Die PIRATEN orientieren sich in ihren gesundheitspolitischen Positionen am Wohl der Patientinnen und Patienten, ohne die Seite der Leistungserbringer und Dienstleister im Gesundheitswesen zu vernachlässigen. Dabei berücksichtigen wir, dass auch in der Gesundheitsversorgung jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann und daher kluges Haushalten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln notwendig ist. Für uns zeichnet sich eine gute Gesundheitsversorgung durch ihren niederschwelligen Zugang aus, der allen Menschen in Deutschland eine zugewandte Behandlung nach aktuellem Stand der Erkenntnis ermöglicht.
Transparenz im Gesundheitssystem
Für Patientinnen und Patienten ist es kaum möglich die Qualität der ärztlichen Behandlung sowohl im Krankenhaus als auch insbesondere im niedergelassenen Bereich zu überprüfen. Wir PIRATEN fordern daher die verständliche Aufbereitung, Veröffentlichung und priorisierte Weiterentwicklung von Qualitätsmerkmalen.
Weiterhin fordern wir die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen von der Entstehung über die Bearbeitung und Beratung bis hin zur Beschlussfassung. Das gilt sowohl für die Entscheidungsträger in der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens als auch für die politischen Gremien, die daran mitwirken. Dies schließt Beschlüsse über die Verwendung gemeinschaftlich aufgebrachter Mittel, z. B. Pflichtversicherungsbeiträge, ein.
Patientenvertretung stärken
In den Organen der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens ist die Patientenvertretung ohne Stimmrecht beteiligt. Wir PIRATEN wirken darauf hin, dass die Seite der Patientenvertretung mit Stimmrecht ausgestattet und gleichberechtigter Teil der Selbstverwaltungsorgane des Gesundheitswesens wird. Die Patientenvertretung ist finanziell und organisatorisch mit dem Ziel größerer Transparenz unabhängig auszustatten.
Überversorgung abbauen
Der Zugang zu medizinischen Angeboten ist für Patientinnen und Patienten heute stark abhängig von ihrem Wohnort. So sind in Großstädten je Einwohner deutlich mehr Ärzte angesiedelt als in ländlichen Regionen. Deshalb streben wir PIRATEN eine Bedarfsplanung an, in der jede Abweichung vom Durchschnitt der Versorgungsdichte öffentlich zu begründen ist. Zur Schließung von Versorgungslücken werden wir uns dafür einsetzen, dass Kommunen das Recht erhalten, hausärztliche Vertragsarztsitze zu übernehmen und dort Ärzte anzustellen.
Abgesehen von regionalen Besonderheiten und einem Stadt/Land-Gefälle gibt es in Deutschland tendenziell eine Überversorgung mit medizinischen Leistungen, die zu Lasten der Versichertengemeinschaft aufrechterhalten wird, insbesondere von Arztpraxen und Krankenhäusern. Mit dem Ziel einer ausgeglichenen Verteilung ist daher einem Überangebot von Gesundheitsleistungen in einer Region über dem Durchschnitt mit entsprechenden Anreizen entgegenzuwirken. Wir PIRATEN werden uns dafür einsetzen, dass jede Abweichung vom Durchschnitt der Versorgungsdichte besonders und öffentlich zu begründen ist. Dort, wo regionale Gebietskörperschaften oder Kommunen bewusst eine überdurchschnittliche Versorgung beibehalten, sind sie für deren Finanzierung aus dem eigenen Haushalt verantwortlich, um die Versichertengemeinschaft zu entlasten.
Unterversorgung vermeiden
Die Menschen in Deutschland haben ein Anrecht auf eine angemessene Gesundheitsversorgung. Dazu gehört auch, dass gemeindenah bzw. wohnortnah ausreichend Ärzte aller Fachrichtungen vertreten sind. Die Bedarfsplanungen für Vertragsärzte müssen unter Einbeziehung der regionalen Gegebenheiten eine ausreichende Zahl von Vertragsärzten in sinnvoll gegliederten und homogen strukturierten Versorgungsgebieten vorsehen. In ländlichen Regionen mit Unterversorgung ist auch das Modell mobiler Arztpraxen und die Anstellung von Ärzten durch die Kommune eine sinnvolle Ergänzung.
Wir sehen die Trägervielfalt (öffentliche, frei-gemeinnützige und private Träger) als Anreiz für einen Wettbewerb um die Versorgungsqualität. Gleichzeitig betrachten wir die Gewährleistung der Gesundheitsvorsorge und Behandlung von Krankheiten als Fürsorgepflicht des Staates. Deshalb befürworten wir Initiativen, die einen Erhalt von Kliniken in öffentlicher Trägerschaft zum Ziel haben.
Fehlversorgung beenden
Bestimmte Leistungen, die aus Sicht der Gesundheitsdienstleister einerseits aufwändig und andererseits nicht angemessen honoriert sind, werden nicht oder nur in geringem Umfang erbracht. Neben aufsuchender Behandlung benachteiligt dies vor allem Patientinnen und Patienten mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen oder eingeschränkter Mobilität. Wir PIRATEN setzen uns dafür ein, dass insbesondere diese Patientinnen und Patienten angemessen auch auf der Seite der Krankenversicherungen und Arztpraxen Berücksichtigung finden. Wo die freie Aushandlung der Honorare durch die Selbstverwaltungspartner diese Mängel nicht zeitnah abstellt, werden wir uns dafür einsetzen, dass es zusätzliche Aushandlungsmöglichkeiten unter Beteiligung aller Betroffenen gibt, das heißt den Selbstverwaltungen und ihren Vertretern auch Patientenvertreter stimmberechtigt zur Seite gestellt werden. Gleichzeitig werden die Verhandlungen weitestgehend transparent gemacht durch Veröffentlichung der jeweiligen Positionen.
Zur Bekämpfung von Fehlversorgung setzen wir PIRATEN zudem auf die Förderung der evidenzbasierten Medizin, d.h. dem Treffen von versorgungsrelevanten Entscheidungen nach umfangreichen Recherchen in den verfügbaren Quellen des Wissens. Nur belastbare Studien zur Beurteilung der Wirkung von Therapien und Medikamenten können Grundlage der Entscheidungen über die Erstattung der Kosten durch die Krankenkassen sein.Therapien und Medikamente, deren Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht wurde, dürfen nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, wenn für die zu behandelnde Krankheit keine heilenden Therapien zur Verfügung stehen oder eine wissenschaftliche Bewertung mit höchster Evidenz sich aus ethischen Gründen verbietet.
Gesundheitsprävention ausbauen
Das Gesundheitswesen muss die Vermeidung von Erkrankungen als zentrale Aufgabe des Gesundheitswesens verstehen und umsetzen. Krankheitsfördernde Bedingungen in Umwelt, Gesellschaft und Beruf müssen durch evidenzbasierte Maßnahmen zurückgedrängt werden.
Dazu zählen:
- Im öffentlichen Gesundheitsdienst muss bei epidemisch auftretenden Erkrankungen grundsätzlich Eindämmung und Bekämpfung vor Mitigation (Flatten the curve) stehen.
- Impfungen gegen impfpräventable Krankheiten sollen für alle Altersgruppen, für die eine Zulassung der Impfstoffe durch die EMA vorliegt, von den Krankenkassen bezahlt werden. Screenings und Vorsorgeuntersuchungen zu Krebs-, Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel-, Geschlechts- und Muskelskelett-Erkrankungen sollen als effektive Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen ebenso grundsätzlich von den Krankenkassen bezahlt werden.
- Das Bundesgesundheitsministerium (kurz BMG) sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (kurz BZgA) sollen regelmäßig und umfassend auf evidenzbasierte Maßnahmen zur Prävention von Krankheiten hinweisen. Im Fokus sollen dabei insbesondere Infektionskrankheiten stehen, die über Luft, Wasser, Nahrungsmittel oder Geschlechtsverkehr übertragen werden können.
- Maßnahmen zur verpflichtenden Lufthygiene in Innenräumen sind zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch die Atemluft in Innenräumen in die Arbeitsstättenverordnung aufzunehmen, in den Ländern analoge Regelungen in die Schul-, Jugendhilfe- und Heimgesetze.
- Das Schutzniveau aus der Arbeitsstättenordnung muss auf Schulen und Weiterbildungseinrichtungen in dem Sinne ausgedehnt werden, dass die Schutzvorgaben auch für Lernende gelten, da insbesondere schulpflichtige Schülerinnen und Schüler aufgrund der noch geltenden Präsenzpflicht keine Wahl haben, ob sie darauf verzichten können, schutzlos im Unterricht zu sitzen.
- Die Erreger Corona SARS-CoV-2 und Influenza werden der Liste von Infektionskrankheiten in § 34 Abs. 1 IfSG hinzugefügt, die ein Betretungsverbot in Gemeinschaftseinrichtungen nach sich ziehen.
Stärkung der Versorgungsforschung
Grundlage eines modernen Gesundheitssystems ist die fortlaufende Prüfung der angebotenen Gesundheitsleistungen. Wir wissen heute noch viel zu wenig über die Wirksamkeit von beispielsweise bestimmten Präventionsmaßnahmen. Daher möchten wir massiv die Versorgungsforschung stärken. Die Finanzierung soll durch die Einführung einer Positivliste erfolgen, wie sie in der Mehrzahl der europäischen Länder existiert. Sie garantiert, dass Patientinnen und Patienten nur Arzneimittel mit einem hohen Grad an Nutzen und Bewährungsgrad und einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis verschrieben bekommen. Außerdem soll mit den Einsparungen die nicht-kommerzielle Forschung im Bereich der Arzneimittel gefördert werden, um insbesondere Therapien für seltene Krankheiten zu erforschen.
Forschung für ME/CFS und LongCovid
Die bestehende Diagnostik von ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis (ME), chronic fatigue syndrome (CFS), auch chronisches Erschöpfungssyndrom) nach den “Kanadischen Konsens-Kriterien” soll als Standard für den Umgang mit Fällen in diesem Symptomkontext anerkannt werden. Es handelt sich bei ME/CFS um ein akutes Krankheitsbild, das mit erheblichen Behinderungen einher geht. Die fehlende einheitliche Anerkennung stellt für die Betroffenen, sowie die diagnostizieren Ärzte vor große Probleme.
Daher sollen einheitliche Maßstäbe für die Diagnostik, basierend auf dem jeweils aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse eingeführt werden, um so Sicherheit sowohl für Patienten, als auch die diagnostizierenden Ärzte zu schaffen. Diese Diagnose und Einstufung der Schwere nach “Bell-Skala” soll von sozialen Einrichtungen und Versorgungsämtern verpflichtend anerkannt werden.
Da sich Diagnostik und Therapien weiter entwickeln, ist eine Anpassung an den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse notwendig. Kontraproduktive, bzw. veraltete Therapien und Rehabilitationsmaßnahmen dürfen nicht verpflichtend sein.
Patientenvereinigungen wie Fatigatio e.V. sollen gehört und gefördert werden.
Zu seltenen und/oder schwerwiegenden Erkrankungen zählen als Beispiele: Postvirale Erkrankungen/Long Haulers, Rheumatische Erkrankungen, Mitochondriopathien, Fibromyalgie, chronische Borreliose und andere chronische Erkrankungen mit Langzeitfolgen, insbesondere auch im neurologischen Spektrum. Hier soll die Förderung der Forschung ebenfalls angewendet werden.
Gesundheitliche Bildung
Es besteht wissenschaftliche Einigkeit, dass Bildung und Umweltfaktoren große Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben. Wir setzen uns für die Erprobung eines Faches „Gesundheitsbildung“ in Schulen ein, das vermittelt, welche Faktoren sich positiv und negativ auf Gesundheit auswirken und wie man sie erhalten kann. Die Finanzierung des Faches soll als Teil einer Präventionsstrategie aus der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen. Neben der schulischen Bildung sehen wir die Notwendigkeit einer umfassenden gesundheitlichen Aufklärung als nächsten Schritt einer sozialen Inklusion von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. In den Fokus der Aufklärung sollen vor allem jene Krankheits- und Störungsbilder sowie Behinderungen gerückt werden, die häufig von Vorurteilen und Ausgrenzungen betroffen sind. Wir PIRATEN sehen hier vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Pflicht, aber auch die privaten Sendeanstalten, Print- und Onlinemedien, ihren gesellschaftlichen Beitrag für eine wirksame gesundheitliche Aufklärung zu leisten. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Vermittlung der Botschaft liegen, dass Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft sind.
Sichere Bildung während einer Pandemielage
Die Gewährleistung sicherer Bildung hat durch die Corona-Pandemie noch immer nicht den notwendigen Stellenwert erhalten. Für dauerhaften Infektionsschutz ist in Schulen und Kitas immer noch zu wenig passiert, um die mögliche Infektionsweitergabe auch für künftige Gesundheitsgefahren zu minimieren.
Technische Maßnahmen sind organisatorischen Maßnahmen immer vorzuziehen. Dies ist das TOP-Prinzip im Arbeitsschutz, das hier analog anzuwenden ist. Dennoch wird vielerorts einzig auf händisches - und wegen häufig fehlender Querluftmöglichkeit unzureichendes - Lüften abgestellt, anstatt umfassend effektive Luftreiniger mit HEPA-Filtern (mind. Stufe 13) bereitzustellen. Diese können auch in Altbauten eingesetzt werden, bei denen die Nachrüstung stationärer Raumlufttechnik nicht oder nur sehr aufwändig möglich ist.
Aus Sicht der PIRATEN sind für sichere Bildung daher folgende Schritte notwendig:
- Wechsel- und Distanzunterricht sollten grundsätzlich bei hohem Infektionsgeschehen angeboten werden, dürfen aber kein Ersatz für Infektionsschutz in den Einrichtungen sein.
- In allen gemeinschaftlich genutzten Räumen muss ein technisch unterstütztes Aerosol-Management erfolgen. In zum Unterricht genutzten Räumen müssen Luftfilter mindestens nach dem HEPA13-Standard eingesetzt werden. Dort, wo keine Luftfilter mindestens nach dem HEPA13-Standard vorliegen, muss ergänzend eine CO2-Ampel eingesetzt werden.
- Die Präsenzpflicht muss während Phasen mit hoher Ansteckung und nach deren Abklingen für vulnerable Kinder ausgesetzt bleiben.
- Engmaschiges, PCR-basiertes Testen in allen Schulklassen und Kita-Gruppen, idealerweise auf Basis von kindgerechten "Lolli-Tests", sollte herangezogen werden, um Ansteckungscluster frühzeitig aufzuspüren. Der Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen bei nachweislicher Ansteckung mit einem pandemischen Erreger ist grundsätzlich auszuschließen.
- Grundlage für Inzidenz-gestützte Maßnahmen in Schulen und Kitas sollte vor allem die 7-Tages-Inzidenz der Altersgruppe unter 20 sein.
Gesetzliche Verpflichtung zur sauberen Raumluft
Die Piratenpartei fordert ein Recht auf saubere Luft in Innenräumen. Vorbereitend sollen in öffentlichen und semi-öffentlichen Gebäuden zwei gesetzliche Verpflichtungen eingeführt werden:
- konstante CO2-Messung der Raumluft sowie
- Luftfilterung mittels Hepa-Filtern oder Luftfilteranlagen, stets aktuellster Stand der Technik.
Damit sollen Gesundheitsgefährdungen in der Raumluft an Arbeitsplätzen, in Einrichtungen der Pflege und Medizin aber insbesondere auch in Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen, durch gesetzliche Verankerungen im Arbeitsschutzgesetz als auch in der Arbeitsstättenverordnung, vermieden werden. In der Folge soll das Recht auf saubere Luft, das sich aus dem Recht auf körperliche Unversehrtheit ergibt, umgesetzt und ermöglicht werden.
Finanzierung
Die Finanzierung des Gesundheitssystems betrachten wir als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher sehen wir in der Einbeziehung sämtlicher Bürgerinnen und Bürger in die Sozialversicherung unter Berücksichtigung möglichst aller Einkommensarten ein sinnvolles Modell zur Finanzierung dieses Systems. Wir erkennen allerdings die Einschränkungen der Wahlfreiheit in dieser Art der Finanzierung für Bürgerinnen und Bürger sowie die Anbieter privater Krankenversicherungen an und verstehen ihre Bedenken. Daher setzen wir uns für einen Volksentscheid ein, um einen gesellschaftlichen Konsens in dieser wichtigen Frage des gemeinschaftlichen Zusammenlebens zu erreichen.
Vergütungssysteme überprüfen
Jede Form der Vergütung setzt Anreize, die zum Teil erwünscht sind, zum Teil jedoch auch zu unerwünschten und für das Gesamtsystem schädlichen Ergebnissen führt. Dies verstärkt sich in der Regel im Verlauf der Anwendung des Vergütungssystems. Aus diesem Grund sind Vergütungssysteme regelhaft einer unabhängigen Analyse und Anpassung zu unterziehen. Dies gilt für die Fallpauschalen in Krankenhäusern ebenso wie für pauschale- oder Einzelleistungsvergütungen im ambulanten Bereich. Hier sollen mit Modellprojekten neue Vergütungsformen regional entwickelt und getestet werden.
Notfallmedizin
Die Überlebenschancen von Patientinnen und Patienten hängen in Notfallsituationen unmittelbar von der Reaktion beteiligter Bürgerinnen und Bürger ab. Um die Bevölkerung besser in die Lage zu versetzen, in solchen Situationen richtig zu handeln, fordern wir Programme zur Förderung von Ersthelfermaßnahmen in allgemein- und weiterbildenden Schulen. Ein angemessenes Verhalten in Notfallsituationen soll auch durch die Einrichtung und Förderung von Schulsanitätsdiensten auf freiwilliger Basis in Schulen erleichtert werden. Unterstützend möchten wir die Verbreitung von Defibrillatoren im öffentlichen Raum fördern. Um nach Eintreffen des Rettungsdienstes jeder Patientin und jedem Patienten unabhängig von seinem Aufenthaltsort eine bestmögliche Erstversorgung zu gewährleisten, setzen wir uns für eine praxistaugliche Vereinheitlichung der Ausrüstung und Ausstattung von Rettungswagen ein. Die Geeignetheit der Standards sowie der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge für überörtliche Einsätze ist regelmäßig zu überprüfen.
Nach der Pandemie ist vor der Pandemie
Es müssen sinnvolle Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung vorgehalten werden. Es sollen ausreichend Testkapazitäten geschaffen werden und Produktionsstätten für Impfstoffe vorgehalten werden. Die Kapazitäten sollen mindestens für alle Menschen in Deutschland ausreichen. Zusätzlich muss immer ausreichend Schutzausrüstung für medizinisches Personal und sonstige pflegerische Tätigkeiten eingelagert sein. Ausreichend medizinische Masken müssen ebenfalls in ausreichender Menge vorhanden sein, um bei einer neuen Pandemie alle Menschen in Deutschland, die eine Maske tragen können, damit umgehend zu versorgen. In diesem Fall sollten die Menschen in Deutschland mindestens 30 medizinische Masken pro Monat kostenlos über die Krankenkasse erhalten.
Elektronische Gesundheitskarte
Wir erkennen den Vorteil an, den eine rasche Zugriffsmöglichkeit von Ärzten auf diagnose- und behandlungsrelevante Patientendaten hat. Elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen ist der Schlüssel zum Abbau der Versorgungsgrenzen und der kontinuierlichen Versorgung chronisch erkrankter Patientinnen und Patienten. In der derzeitigen Form lehnen wir PIRATEN die elektronische Gesundheitskarte jedoch ab. Wir fordern ergänzend die verbindliche Einführung dezentraler Speichermöglichkeiten direkt auf der Chipkarte. Durch diesen Speicher können, ergänzt durch die Möglichkeit rechtssicherer elektronischer Unterschriften, alle Anforderungen an eine moderne IT-Infrastruktur bei gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes erfüllt werden. So erhalten Patientinnen und Patienten die volle Entscheidungshoheit über ihre Daten und können die Vorteile dieser Technologie nutzen.
Pflege in Deutschland
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Für Pflegebedürftige, private Pflegepersonen und berufliche Pflegekräfte scheint der Artikel 1 des Grundgesetzes aber nicht zu gelten. Wer heute pflegebedürftig ist oder Menschen pflegt, findet sich in einem kranken System wieder, bei dem - wieder einmal - die Wirtschaftsinteressen einen höheren Stellenwert genießen, als die Interessen der Patienten und Pflegekräfte. Diese Situation wollen die PIRATEN ändern.
Pflegequalität und Pflege-Sicherheit
Heimgesetze
Wir PIRATEN streben eine Überprüfung der 2007 durch die Föderalismusreform übertragene Kompetenz des ordnungsrechtlichen Teils der Heimgesetzgebung an. Die diversen Lösungen zu Fragen der Genehmigung des Betriebs von Heimen oder anderen Wohnformen für ältere, pflegebedürftige und behinderte Menschen, die personelle oder bauliche Ausstattung der Einrichtung oder Sanktionen bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften in 16 Bundesländern zu regeln, erlaubt nicht die Einführung und Erweiterung von Kontrollkompetenzen für Behörden und Pflegekassen gegenüber Pflegeheimen, Pflegediensten und Pflegepersonen. Neue Unternehmensmodelle oder Abrechnungsverfahren sind ebenfalls nicht flächendeckend anwendbar.
Verringerung von Verwaltungsaufwand und Bürokratie
Die Piratenpartei Deutschland setzt sich für die Verringerung von Verwaltungsaufwand und Bürokratie in der Pflege ein. Wir fordern, mehr digitale Hilfestellungen (z.B. sprachgestützte Dokumentation) im Vorfeld bundeseinheitlich zu etablieren und deren Einführung finanziell zu fördern. Zudem soll der "Pflegebedürftigkeitsbegriff" im Sozialgesetzbuch XI § 14 dahingehend geändert werden, dass die Erfüllung und Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben professioneller Pflege aus §4 Pflegeberufegesetz vollumfänglich durch die Pflegeversicherung refinanziert werden.
Professionalität fördern und fordern
Zur Verbesserung der pflegerischen Outcomes, also den Ergebnissen pflegerischer Interventionen bei pflegebedürftigen Personen, muss eine ausreichende Versorgung mit Pflegefachpersonen gewährleistet sein. Die reine Anzahl von Examen reicht dabei aber nicht aus. Jede Pflegefachperson muss regelmäßig an Fort- und Weiterbildungen teilnehmen, um Anschluss an den Stand pflegerischen Wissens zu halten. An den Bildungmaßnahmen haben sich die Arbeitgeber in angemessenem Umfang zu beteiligen.
Fachpersonal schützen
Die Piratenpartei Deutschland spricht sich für die Einführung einer Pflegekammer als Körperschaft öffentlichen Rechts auf Bundesebene aus. Zur Finanzierung schlagen wir vor, dass dies nicht nicht einseitig zu Lasten der Pflegefachpersonals gehen, sondern über einen Beitrag je Pflichtversicherten in der Pflegekasse analog der Gematik-Umlage realisiert werden soll.
Arbeitsbedingungen in der Pflege
Soziale Absicherung von privaten Pflegepersonen
Wenn in Deutschland Familienangehörige selbst die Vollzeitpflege zu Hause übernehmen sind die aktuell finanziellen Unterschiede zur Bezahlung in einer Pflegeeinrichtung mit einer Mehrvergütung von über 1000 € pro Pflegeplatz nicht vertretbar.
Die PIRATEN setzen sich für die Stärkung der Familienangehörigen von Pflegebedürftigen ein und fordert adäquate Verbesserung wie z.B. Zahlung angemessener Rentenversicherungsbeiträge, Anrechnung von Pflegezeiten in Rentenpunkten, je nach Alter kann auch über eine Rückkehrgarantie nachgedacht werden.
Die Piratenpartei fordert, den § 38 im Sozialgesetzbuch V dahingehend zu ändern, dass Haushaltshilfe in einem Haushalt mit pflegebedürftigen Menschen und pflegenden Teenagern ab dem 12. Lebensjahr bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gewährleistet wird.
Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern
Pflegekräfte leisten mit Ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Mit Blick auf ihre Entlohnung dominiert jedoch der Eindruck mangelnder Wertschätzung. Die PIRATEN sehen das aktuelle Einkommen als nicht leistungsgerecht an.
Drei Viertel aller Pflege Beschäftigten fühlen sich bei der Arbeit häufig gehetzt. Dies geht nicht nur zu Lasten der eigenen Gesundheit, sondern wirkt sich auch auf die Versorgungsqualität der PatientInnen und Pflegebedürftigen aus. Auch körperlich schwere Arbeit ist in der Pflege weit verbreitet. Die hochgradig belastenden Arbeitsbedingungen bleiben nicht ohne Folgen: Lediglich 22 Prozent der Pflegebeschäftigten gehen davon aus, ihre Tätigkeit unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen bis zur Rente durchhalten zu können.
Wir PIRATEN fordern daher eine unabhängige Studie, mit welcher Berufsgruppe die Pflege vergleichbar wäre. Den aktuellen Stundenlohn für Pflegefachpersonen sehen wir als nicht angemessen.
Wissenschaftlich fundierter Personalschlüssel
Wir PIRATEN setzen uns für die schnelle Einführung des Pflegepersonalbemessungsinstruments für stationäre Langzeitpflege der Universität Bremen ein, um eine menschenwürdige Pflege in vollstationären Einrichtungen und Krankenhäusern zu gewährleisten.
Fachkräfte schützen
Wir PIRATEN begrüßen das neue Ausbildungs- und Prüfungs-Gesetz für Pflegeberufe und die Anerkennung als Pflegefachkraft. Wie bisherige Fachkräfte in die neue Berufsbezeichnung eintreten können, muss dringend geregelt werden. Dies wäre über eine bundeseinheitliche Pflegekammer als öffentliche Körperschaft zu regeln. Dies darf allerdings nicht nur einseitig zu Lasten der Pflegefachkräfte gehen, sondern sollte über eine Quote je Pflichtversicherten in der Pflegekasse analog der Gematik Umlage realisiert werden. Die Betriebe haben sich zukünftig an den Weiterbildungsmaßnahmen adäquat zu beteiligen.
Rechte der zu Pflegenden
Pflege ohne freiheitsentziehende Maßnahmen
Die PIRATEN setzen sich für die flächendeckende Einführung des Werdenfelser Wegs ein. Obwohl er seit 2010 bereits bundesweit Anerkennung findet, wird bis heute diese Entscheidung kommunal getroffen.
Das Ziel, die Entscheidungsprozesse über die Notwendigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen wie Bauchgurte, Bettgitter, Vorsatz Tische zu verbessern und Fixierungen in stationären Einrichtungen der Altenpflege und für Menschen mit Behinderungen, sowie in somatischen und psychiatrischen Krankenhäusern auf ein unumgängliches Minimum zu reduzieren, sollte bundesweit einheitlich geregelt werden.
Gesundheitsschützende Ausgangsbeschränkungen
Die Piraten lehnen die Einschränkung der Freiheitsrechte in Deutschland grundsätzlich ab. Allerdings kann es zum Schutz von Leib und Leben Ausnahmen geben. Diese sind klar zu begründen und unterliegen einer strikten Rechtsgüterabwägung.
Die ausufernden, halbherzigen und unzureichend begründeten Ausgangsbeschränkungen, wie sie während der Corona-Pandemie erlassen wurden, lehnen wir in weiten Teilen ab. Ausgangsbeschränkungen sollten nur als letztes Mittel eingesetzt werden, um die Ausbreitung einer Pandemie einzudämmen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Optionen welche VOR einer Ausgangsbeschränkung angewandt werden sollten, wären z.B. einheitliche Quarantäne und Test-Regeln, FFP2-Maskenpflicht am Arbeitsplatz, die Verpflichtung zu Homeoffice*, Infektionsschutzmaßnahmen in Schulen und Kitas, technische und personelle Aufstockung der Gesundheitsämter. (* Arbeitgeber müssten wöchentlich pro Mitarbeiter begründen, warum diese NICHT im Homeoffice sind)
Hierzu muss erst eine Analyse vorliegen, auf welchen Wegen, zu welcher Tageszeit und an welchen Orten ein erhöhtes Risiko besteht, dass eine als Pandemie eingestufte Infektionslage nur mit den Mitteln einer Ausgangsbeschränkung bekämpft werden kann. Eine solche massive Einschränkung darf nur verhängt und aufrecht erhalten bleiben, wenn sie in einem messbaren Rahmen erhebliche Wirkung zeigt und daher angemessen ist.
In dringenden Notfällen, wie beispielsweise bei Chemieunfällen, müssen Ausgangsbeschränkungen außerdem so formuliert sein, dass sie rechtssicher zu erkennen sind und Härtefälle vermieden werden.
Drogen- und Suchtpolitik
Vorbemerkung
Der “Krieg gegen Drogen” ist gescheitert. Die Prohibition bindet Ressourcen und verursacht immense Kosten. Kriminalisierung schadet oft marginalisierten Menschen und drängt sie an den Rand der Gesellschaft, anstatt Substanzgebrauch ausserhalb eines Schwarzmarktes zu regulieren.
Die Legalisierung von Cannabis, eine Entkriminalisierung aller psychoaktiven Substanzen sowie eine Aufkündigung der UN-Drogenkonventionen sind die ersten Schritte zu einer “Neuen Drogenpolitik" in ganz Deutschland und Europa.
Neustart: Drogen- und Suchtpolitik
Die Piraten streben die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Gruppen an, die sich vorurteilsfrei mit dem Konsum von psychotropen Substanzen und dessen Folgen auseinandersetzen. Gemeinsam werden wir eine Politik betreiben, die riskantem Drogengebrauch durch Prävention entgegenwirkt, sowie Risiko-Konsumenten und Schwerstabhängigen durch Therapieangebote hilft. Der Gesetzgeber darf nur dort eingreifen, wo die Schutzrechte anderer berührt sind. Er soll einen effizienten Jugend- und Verbraucherschutz sicherstellen und den Schwarzmarkt und das organisierte Verbrechen eindämmen.
Diese Ziele können nur durch eine Legalisierung und eine kontrollierte Abgabe aller psychotropen Substanzen erreicht werden.
Mündigkeit braucht Bildung – Prävention ist die Grundlage
Das Ziel unserer Drogen- und Suchtpolitik ist eine selbstverantwortliche und sozialverträgliche Genusskultur. Wir wollen Menschen aller Altersgruppen zu einem achtsamen Umgang mit psychotropen Substanzen und einem selbstbestimmten Konsum befähigen.
Um Wirkungen und mögliche Gefahren besser einschätzen zu können, bedarf es einer kompetenten Aufklärung, die so früh wie möglich beginnen soll. Sie muss auch die Fähigkeit vermitteln, mit den unterschiedlichen, gebräuchlichen Drogen umzugehen. Wir glauben, dass die Stärkung von sozialer Kompetenz und Selbstbewusstsein eine wichtige Grundlage für wirksame Prävention ist.
Nachhaltige Prävention fängt in der Schule an
Die Maßnahmen zur Suchtprävention an Schulen und der Ausbildungsstand der Lehrkräfte sind unzureichend. Pilotprojekte haben gezeigt, wie nachhaltig eine gute Prävention bereits ab dem Grundschulalter wirkt. Auf der Basis der dort gesammelten Erfahrungen ist ein bundesweites Aufklärungskonzept und sachgerechtes, undogmatisches Lehrmaterial für einen fundierten Unterricht zu entwickeln. Externe Fachreferenten sollen besonders in der Sekundarstufe das Wissen bei Lehrern und Schülern vertiefen.
Vorurteile werden so durch Wissen überwunden. Die gewonnenen Erkenntnisse tragen die Schüler wie selbstverständlich in ihr soziales Umfeld.
Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Die umfassende Aufklärung über Drogen, ihren Gebrauch und mögliche Folgen darf sich nicht auf die Schule beschränken, sondern muss sich an die ganze Gesellschaft richten. Ärzte, Krankenhäuser, Bürgerämter, Sozialdienststellen, Jugendzentren und ähnliche Einrichtungen sollen geeignete Informationsmaterialen bereithalten und Ansprechmöglichkeiten bieten. Präventionsprogramme sind zielgruppengerecht zu gestalten. Der Einsatz von Streetwork und Sozialarbeit, vor allem in bisher unterversorgten Kleinstädten und ländlichen Gebieten, unter besonderer Berücksichtigung des Suchtstoffes Alkohol, ist auszubauen. Die Mittel für niedrigschwellige Hilfsangebote in der Suchthilfe sowohl bei stofflichen als auch bei nicht stoffgebundenen Süchten sind deutlich aufzustocken.
Verbraucherschutz – auch für Drogenkonsumenten
Wie alle Genussmittel unterliegen auch die psychotropen Substanzen dem Verbraucherschutz und müssen nach der Legalisierung einer regelmäßigen Qualitätskontrolle unterzogen werden.
Das Wissen um Wirkstoff und Beimengungen ist Grundlage risikoarmen Drogengebrauchs. Umfassende, bedarfsgerechte Möglichkeiten zum Drugchecking sollen schon jetzt vor Ort ermöglicht werden. Die Piraten fordern die Einrichtung einer bundesweiten Online-Meldestelle für problematische Substanzen zur Risiko- und Schadensminimierung für Drogenkonsumenten. Diese Meldestelle soll schädliche Streckmittel, ungewöhnlich hohe Dosierungen, Reinheitsgrade sowie den Verkauf von Substanzen unter falschem Namen veröffentlichen. Als ersten Schritt sollen die Resultate kriminaltechnischer Untersuchungen von beschlagnahmten Drogen für alle verfügbar gemacht werden.
Konsumbegleitende Programme und Hilfsangebote bei problematischem Konsum müssen ausgeweitet werden. Therapiemöglichkeiten sind so früh wie möglich anzubieten, nicht erst bei bestehender Abhängigkeit oder bei bereits eingetretenen Folgeerkrankungen. Sie dürfen nicht ausschließlich auf Abstinenz ausgerichtet sein. Wir fordern ein bundesweites Angebot von Drogenkonsumräumen als weiteres wichtiges Element der Schadensverhütung und -minderung. Das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen muss auch gegenüber der Justiz und anderen Behörden gewahrt bleiben.
Das vom Alkohol und vom Tabak ausgehende Sucht- und Schadenspotential wird im gesellschaftlichen Alltag nur unzureichend wahrgenommen. Dem sollte durch verstärkte Einbeziehung des Alkohols und des Tabaks in die allgemeine Drogenaufklärung und Suchtprävention entgegengewirkt werden. Bei allen zum Verzehr geeigneten, alkoholhaltigen Produkten ist deutlich lesbar und gut sichtbar auf der Vorderseite der Verpackung anzugeben, wieviel Alkohol das Produkt enthält. Jeder enthaltene Alkohol muss angegeben werden. Vorhandene Lücken in der Deklarationspflicht sind zu schließen. Bei alkoholischen und alkoholhaltigen Getränken muss deutlich sichtbar auf das Suchtpotential hingewiesen werden. In der Gastronomie sollen mehrere alkoholfreie Getränke angeboten werden, die günstiger sind, als das preiswerteste alkoholische Getränk.
Substitution
Wir fordern, dass die Substitutionsbehandlung als psychosozial unterstützte medizinische Behandlung von Opioidabhängigkeit die Berücksichtigung folgender ethischer Prinzipien erfüllt: Der Zugang zur Behandlung und Betreuung muss für alle Betroffenen gleichberechtigt sein. Die Behandlung und Betreuung muss dem jeweiligen Hilfebedarf im Einzelfall entsprechen. Die Betroffenen müssen vollständig über die Behandlung und Betreuung (Möglichkeiten, Verlauf, Regeln) informiert sein. Das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen muss auch hier gewahrt werden. Die Piraten fordern die Kostenübernahme durch Krankenkassen für Behandlungen, die nicht nur das Abstinenzprinzip umsetzen. Für Diamorphinbehandlungen werden dringend mehr Vergabestellen benötigt. Die Umsetzung von Diamorphin-Programmen muss erleichtert werden, damit mehr Betroffene Zugang erhalten, auch solche mit weniger schädlichen Konsummustern. Bei der Durchführung gilt es, neben Injektion auch Inhalation und orale Einnahme zuzulassen und eine intensive psychosoziale Betreuung für die Teilnehmer bereitzustellen. Gegebenfalls ist in weitergehende Therapieangebote überzuleiten. Neben den Ärzten sind auch medizinisches Personal, Therapeuten und Mitarbeiter der sozialen Dienste zur fachbezogenen Weiterbildung zu verpflichten.
Nicht stofflich gebundene Süchte
Wir fordern eine Verbesserung und einem Ausbau der ambulanten und stationären Therapieplätze im Bereich Psychiatrie / psychologische Psychotherapie für nicht stoffgebundenen Süchte ( z.B. Glücksspiel) sowie die Anerkennung dieser Krankheiten.
Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtern
Cannabinoidhaltige Medikamente sollen anderen verkehrsfähigen Medikamenten gleichgestellt werden. Es liegt dabei im Ermessen des behandelnden Arztes, ob dabei der Echtstoff zum Einsatz kommen soll. Die Kosten sind von den Krankenkassen zu tragen.
Informationelle Selbstbestimmung stärken
Die informationelle Selbstbestimmung ist auch im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik zu gewährleisten: Auf Drogenkonsum bezogene Daten aus ergebnislos gebliebenen polizeilichen Ermittlungen müssen umgehend wieder gelöscht werden. Register über Drogenkonsum dürfen nicht geführt werden. Allgemeine und verdachtsunabhängige Drogentests am Arbeitsplatz lehnen wir ab. Sie sind auf gefährliche Berufe und Tätigkeiten zu begrenzen.
Entkriminalisierung der Konsumenten
Der private Umgang mit psychotropen Substanzen muss komplett entkriminalisiert werden. Anbau und Herstellung für den Eigenbedarf dürfen nicht bestraft werden.
Entkriminalisierung der Konsumenten
Der private Umgang mit psychotropen Substanzen soll vollständig entkriminalisiert werden. Besitz, Anbau und Herstellung für den Eigenbedarf dürfen nicht bestraft werden.
Herstellung, Anbau und Handel
Perspektivisch soll es möglich sein, derzeit illegale psychotrope Substanzen kontrolliert sowohl für den Eigenbedarf bzw. in der Gemeinschaft, als auch gewerblich legal anzubauen, herzustellen und damit zu handeln. Die Produkte sollen durch Steuern und Abgaben nicht so verteuert werden, dass unser Ziel, den Schwarzmarkt einzudämmen, gefährdet wird.
Lizenzierte Fachabgabestellen
Wir fordern lizenzierte Fachabgabestellen (Fachgeschäfte und andere ggf. staatliche Abgabestellen) mit Zutrittsverbot für Jugendliche für den Verkauf von Tabak, Liquids und e-Zigaretten, Alkohol und oder anderen psychotropen Substanzen. Qualifiziertes Personal soll dort auch Beratung zu verantwortungsvollem Gebrauch und möglichen Gefährdungspotentialen anbieten können.
Keine Einschränkungen für E-Zigaretten
Der freie Handel und Gebrauch liquidverdampfender E-Zigaretten und Tabakverdampfer soll nicht über den Jugendschutz hinaus eingeschränkt werden. Aus Gründen des Umweltschutzes fordern wir ein Verbot der Einweg-E-Zigaretten.
Werbeverbot
Die einseitig positive Darstellung von suchterzeugenden Substanzen zu vermeiden, ist ein wesentlicher Aspekt von Prävention. Wir fordern daher ein ausnahmsloses Werbe- und Sponsoringverbot für Produkte, die psychotrope Substanzen in einer Konzentration enthalten, die geeignet ist, Abhängigkeiten zu erzeugen. Öffentliche Tabak- und Alkoholwerbung ist unvereinbar mit diesen Zielen. Ebenso lehnen wir Werbung für Glücksspiel ab.
Keine Willkür beim Führerscheinentzug
Eine Gefährdung des Straßenverkehrs unter Einfluss von Rauschmitteln kann nicht geduldet werden. Als Kriterium für den Entzug der Fahrerlaubnis müssen wissenschaftlich gesicherte Grenzwerte für Wirkstoffkonzentrationen festgelegt werden, die eine akute Fahruntüchtigkeit nachvollziehbar definieren. Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum und dem Führen des Kraftfahrzeuges vorliegen. Allein die Vermutung oder die Feststellung, dass eine Person Drogen oder Medikamente konsumiert oder konsumiert hat, lässt keine Rückschlüsse auf die aktuelle Fahruntüchtigkeit zu und rechtfertigt keinen vorbeugenden Entzug der Fahrerlaubnis.
Amnestie und Rückgabe der Fahrerlaubnisse
Betroffene die wegen Verstößen gegen das BTMG aufgrund konsumnaher Delikte verurteilt worden sind, sollen durch ein entsprechendes Gesetz amnestiert werden. Außerdem fordern wir die Rückgabe aller Fahrerlaubnisse, die nicht aufgrund festgestellter Fahruntüchtigkeit eingezogen wurden.
Psyche
Verrückt ist auch normal
Das Ziel der politischen Arbeit der PIRATEN ist eine größtmögliche Inklusion aller Menschen. Um dieses Ziel zu erreichen, beziehen wir die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung in unser Programm mit ein. Wir PIRATEN fordern den zielgerichteten und zeitnahen Ausbau der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung, eine inklusive Arbeitsmarktpolitik für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sowie eine deutliche Verbesserung der rechtlichen Situation von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.
Mehr psychiatrische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern
Wir PIRATEN setzen uns dafür ein, den Ausbau von psychiatrischen Abteilungen in allgemeinen Krankenhäusern mit dem Ziel weiter fortzusetzen, dass alle Kreise und kreisfreien Städte im Sinne der gemeindenahen Psychiatrie mit psychiatrischen Abteilungen mit angeschlossenen Tageskliniken und psychiatrischen Institutsambulanzen versorgt werden. Mittelfristiges Ziel ist das System der Fachkrankenhäuser durch ein flächendeckendes System von psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern zu ersetzen (Beispiel Saarland).
Mehr Psychiatrische Institutsambulanzen
Wir PIRATEN unterstützen das Konzept der multiprofessionellen, psychiatrischen Institutsambulanzen als Teil der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung und setzen uns für den weiteren flächendeckenden Ausbau in Deutschland ein. Psychiatrische Institutsambulanzen werden an den psychiatrischen Abteilungen in den Allgemeinkrankenhäusern errichtet. Wir sprechen uns dabei für die Ansiedlung von psychiatrischen Abteilungen mit Institutsambulanzen in zentraler, leicht erreichbarer Lage der Kreise und kreisfreien Städte ein, bei flächenweiten Kreisen sollen zusätzliche Außenstellen der psychiatrischen Institutsambulanzen errichtet werden.
Bausteine der komplementären Versorgung
- Wohnen: Die meisten psychischen Störungen treten erstmalig in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter auf. Für diesen Personenkreis haben sich betreute Wohngemeinschaften bewährt. Solche Intensiv ambulante Wohngemeinschaften (IABW) , oft unter Betreuung von Sozialarbeitern, sind bedarfsdeckend einzurichten.
- Freizeit: Die Freizeit sinnvoll mit anderen zu gestalten, ist für Menschen mit psychischen Störungen ebenfalls nicht so einfach wie für andere. Diverse Clubs, in denen sich alle (auch nicht Betroffene) treffen können, Patientencafés inmitten der Städte etc. sind daher unverzichtbare Bausteine einer komplementären sozialpsychiatrischen Versorgung.
- Tagesstätten: Im Gegensatz zu Tageskliniken findet in Tagesstätten keine medizinische Versorgung statt, sondern Therapeuten aller Ausbildungstypen (z. B. Ergo-, Kunst- und Musiktherapeuten etc.) gestalten zusammen mit Beschäftigten der Gesundheits- und Krankenpflege, Sozialarbeit und engagierten Bürgerinnen und Bürgern den Alltag der Betroffenen. Tagesstätten haben sich zudem als besonders nützlich erwiesen, wenn Demenzkranke ältere Menschen von ihren berufstätigen Kindern versorgt werden und müssen daher flächendeckend angeboten werden.
Bundesweite Notrufnummer
Wir PIRATEN setzen uns dafür ein, dass in allen Notrufleitstellen psychiatrisch geschultes Personal eingesetzt wird. Für psychische Notfälle soll es eine leicht zu merkende kostenfreie Rufnummer geben, die Anrufer mit der Leitstelle verbindet. Des Weiteren soll psychiatrische Notfallhilfe per E-Mail und SMS ganztags erreichbar sein.
Arbeitsmarktforderungen in der Psyche
Fortbildung Interventionskräfte
Wir PIRATEN fordern, dass Ärzte in allen Fachbereichen, in denen sie mit Betroffenen mit psychiatrischen Diagnosen konfrontiert sind, vor allem aber in der Notfallmedizin, ausführliche und fortlaufende psychiatrische Weiterbildungen erhalten. Besonders wichtig ist auch eine fundierte Ausbildung und Training von Fähigkeiten in Krisenintervention und Deeskalation von Ärzten, Polizei und Rettungsdienstpersonal. Diesen Inhalten muss bereits frühzeitig, also noch während des Studiums oder der Ausbildung, mehr Bedeutung beigemessen werden.
Pflegepersonal in der Psychiatrie
Wir PIRATEN fordern eine deutliche Erhöhung des Personalschlüssels auf psychiatrischen Stationen. Des weiteren soll das Pflegepersonal auf psychiatrischen Stationen durch umfangreichere und praxisbezogene Weiterbildungsmaßnahmen besser im Umgang mit Patientinnen und Patienten mit psychischen Beeinträchtigungen geschult werden.
Rechte der psychiatrischen Patienten
Sonderregelung Arbeitszeiten
Wir PIRATEN fordern eine umfassende Novellierung und Ausarbeitung der Regelungen im bisherigen Behindertenrecht, die den Menschen mit chronischen somatischen und chronischen psychischen Beeinträchtigungen, die auf Grund ihrer Beeinträchtigung in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind, die Wahlmöglichkeit zu eröffnen, ein ihren Einschränkungen gerecht werdendes Arbeitszeitmodell auszuwählen. Es muss hierzu unter strengster Beachtung des Datenschutzes und Nutzung der Aufsichtsbehörden gewährleistet werden, dass die Annahme eines Arbeitszeitmodells diskriminierungsfrei und erfolgreich ermöglicht wird. Die Einbindung des Kostenträgers ist hierbei nicht erforderlich, ebenso soll auf ärztliche Gutachten verzichtet werden.
Persönliches Budget
Seit dem 1. Januar 2008 haben Menschen mit Anspruch auf Teilhabeleistungen einen Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget. Wir PIRATEN unterstützen dieses Konzept als Teilschritt zur Verwirklichung der Inklusion von Menschen mit gesundheitlichen Erkrankungen. Antragstellungen sollen unabhängig vom Leistungsträger einfach und unbürokratisch ermöglicht werden. Des Weiteren fordern wir, dass Menschen mit Anspruch auf Teilhabeleistungen umfassend über diese Rechtsansprüche und das Beantragungsverfahren informiert werden.
Weniger bürokratische Hürden für Patienten
Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) kennt den Begriff der Einwilligungsunfähigkeit nicht. Sie geht in ihrem Artikel 12 davon aus, dass jeder Mensch über volle Rechts- und Handlungsfähigkeit verfügt und ggf. darin unterstützt werden muss.Wir PIRATEN fordern, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu der Unterstützung erhalten, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit ggf. benötigen. In der Fachwelt hat sich für diese Unterstützung der Begriff der unterstützten Entscheidungsfindung (supported deci- sion-making) durchgesetzt. Damit soll die stellvertretende, genauer: die ersetzende Entscheidung, durch die rechtliche Betreuung verringert oder vermieden werden. Sozialpädagoginnen- und pädagogen sollen hier eine auskömmliche Abrechnung als geeignete Stelle über den überörtlichen Sozialhilfeträger erhalten. Die geeigneten Stellen sollen im SGB XII verankert werden.
Weiterentwicklung von Betreuung
Das derzeitige deutsche Betreuungskonzept war bei Einführung ein Bruch mit der Entmündigung. Es ist aber weiter orientiert an den Defiziten von Menschen. Bei Veränderungen am Betreuungsgesetz ist vor allem auf die Betreuungsleistung zu achten als das entscheidende Glied bei der Unterstützung und Vertretung von Menschen. Die Fragen der Qualität der Arbeit und der Kompetenzverteilung im Betreuungswesen stehen dabei im Mittelpunkt. Sollte in Zukunft über eine Reform des Betreuungsrechts diskutiert werden, müssen diese Überlegungen zu inhaltlichen Weiterentwicklungen im Mittelpunkt stehen.
Sterbehilfe
Die Piratenpartei fordert eine pragmatische, rationale Regelung der Sterbehilfe. Ethische Grundlage einer solchen Regelung muss das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen sein.
Assistierter Suizid
Die Entscheidung über einen ärztlich assistierten Suizid soll dem Interesse und dem Willen der Betroffenen entsprechen, sofern sie unabhängig beraten wurden und ihre Wünsche rational artikulieren können. Die Verordnung entsprechender Wirkstoffe von Ärzten soll straffrei sein. Dabei muss sichergestellt sein, dass sie nicht an Dritte weitergegeben werden oder missbräuchlich genutzt werden können.
Aktive Sterbehilfe
Ist ein Patient physisch oder psychisch nicht mehr in der Lage, die entscheidende Handlung zu einem assistierten Suizid vorzunehmen, so soll ihm auf seine ausdrückliche Anweisung hin (ggf. gemäß Verfügung), ein entsprechendes Mittel straffrei verabreicht werden können.
Keine Diskriminierung bei der Blutspende
Wir fordern, die Diskriminierung vermeintlicher "Risikogruppen" bei Blutspenden zu beenden. Richtlinien sind häufig veraltet und basieren auf Vorurteilen. Wir halten eine Überarbeitung der Blutspenderegelung für nötig.